[00:00:00.0 Intro] [00:00:41.8 @timpritlove] Hallo und herzlich willkommen zu Forschergeist. Mein Name ist Tim Pritlove. Hier ist die 9. Ausgabe unserer Gesprächsreihe über die, ja die Wirtschaft, die kommt heute dran – nein, die Wissenschaft und vor allem die Organisation der Wissenschaft und jetzt habe ich es schon fast verraten, heute wollen wir einen weiteren Ausflug nehmen in Themen, die die Wirtschaft betreffen, nachdem wir letztes Mal diesen interessanten Einblick in die Informatik und den Blick auf Wirtschaft gehabt haben. Soll es heute um etwas ganz anderes gehen, nämlich um Journalismus. Wirtschaftsjournalismus oder um noch ein bisschen genauer zu sein, einen wirtschaftspolitischen Journalismus. Um das alles ausführlich zu besprechen, begrüße ich Henrik Müller, schönen guten Tag. [00:01:28.9 @henrikmüller] Hallo guten Tag. [00:01:31.0 @timpritlove] Ja, Sie sind Journalist, kann man das so sagen eigentlich? [00:01:38.2 @henrikmüller] Ja, das ist keine Beleidigung. [00:01:40.4 @timpritlove] Immer schon gewesen? [00:01:40.6 @henrikmüller] Ich wollte immer Journalist werden, also schon sehr früh wollte ich Journalist werden und war das auch sehr gerne und bin es immer noch so ein bisschen jedenfalls. Ich schreibe immer noch wöchentlich bei Spiegel Online und so. Also verstehe mich immer auch noch als Journalist. Aber inzwischen eben auch als Forscher. [00:01:59.2 @timpritlove] Was hat den Reiz ausgemacht? [00:02:00.3 @henrikmüller] Für mich ist der Reiz dabei, vor allem zu gucken, was eigentlich gerade draußen los ist. Wie sich eigentlich die Welt, die Gesellschaft im Moment gerade verändert. Weil das ist ja ein großes Privileg, was man als Journalist hat, dass man sich damit beschäftigen kann, was im Moment gerade die Wirklichkeit draußen ausmacht. Wirklichkeit ist ein großes Wort klar. Und dass man einfach von sehr vielen Seiten sich dieser Wirklichkeit nähern kann und viele interessante Menschen kennenlernen kann dabei und Erfahrungen machen. [00:02:32.9 @timpritlove] Die Plattform war vor allem das Managermagazin oder gab es noch andere Stationen, ich weiß gar nicht? [00:02:40.5 @henrikmüller] Ja das waren die letzten 13 Jahre meines Journalistendaseins habe ich beim Managermagazin verbracht. Die letzten 10 Jahre eigentlich in leitenden Positionen. Vorher war ich beim Stern, habe auch eine Zeit lang frei gearbeitet. War mal bei der Hamburger Morgenpost und so. [00:02:55.4 @timpritlove] Aber es ging immer irgendwie um Wirtschaft? [00:02:57.4 @henrikmüller] Ja eigentlich schon. [00:03:00.1 @timpritlove] Und dem ging dann auch noch ein entsprechendes Studium voraus? [00:03:03.4 @henrikmüller] Ja ich habe Volkswirtschaft studiert in Kiel und habe dann in der Zeit, als ich frei gearbeitet habe, in der Zeit als Externer promoviert damals hier an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, obwohl ich Kriegsdienstverweigerer bin. [00:03:17.1 @timpritlove] Ach wie kommt man denn dazu? [00:03:18.5 @henrikmüller] Über den Professor. Mein Doktorvater war Thomas Straupa???, später dann hier Leiter des HBWI in Hamburg, des Forschungsinstituts. Und ich habe ihn angesprochen, ob er Lust hätte, dieses Thema, was mich damals umtrieb. Das hatte auch schon mit dem Euro zu tun, das zu betreuen. Und er fand das spannend. [00:03:36.0 @timpritlove] Was war das Thema? [00:03:37.9 @henrikmüller] Das Thema war, das ist eigentlich das was jetzt gerade wieder aktuell ist oder erstmals aktuell ist eigentlich wirklich, nämlich inwieweit die Eurozone – da gab es den Euro ja noch nicht, als ich an der Arbeit geschrieben habe, inwieweit die eigentlich Wechselkurspolitik betreiben kann, insbesondere gegenüber den USA. Also wenn es hier wirtschaftlich schlecht läuft, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, wird dann letztlich die europäische Zentralbank das Wechselkursinstrument nutzen und versuchen, den Euro abzuwerten. Und das sehen wir im Moment gerade. [00:04:11.8 @timpritlove] Ja, findet statt. [00:04:14.4 @henrikmüller] Allerdings mit anderen Instrumenten und in einem etwas anderem politischen Setting als ich das damals erwartet habe, aber immerhin. Also wir sind inzwischen sozusagen holt die Wirklichkeit in gewisser Weise das ein, was ich damals theoretisch erforscht hab. [00:04:25.3 @timpritlove] Und hält die Arbeit noch der Realität stand? [00:04:29.0 @henrikmüller] Nein, nein, das kann man nicht sagen. Also wir haben Ende der 90er Jahre nicht gesehen, wie schnell insbesondere China und andere Schwellenländer aufsteigen würden und welche Bedeutungen auch diese Währungen bekommen würden. Also wir waren ja damals noch geistig in der Welt der Triade. Also Westeuropa, USA, Japan. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben von dieser Welt. Also Japan spielt ja wirklich nur noch am Rande eine Rolle. Europa steckt in großen Schwierigkeiten nach wie vor. Die USA ticken heute auch ganz anders, funktionieren auch ökonomisch ganz anders als damals. Also das ganze weltpolitische Setting ist heute ein anderes. Eben insbesondere weil große Schwellenländer so eine große Rolle spielen, von daher kann man nicht sagen, dass die Arbeit noch hält. Aber so als gedankliches Konstrukt und auch zu gucken, welche institutionellen Schwächen innerhalb des Währungsraums können eigentlich dazu führen, dass der Wechselkurs als Instrument genutzt wird, damit habe ich mich damals beschäftigt. [00:05:30.2 @henrikmüller] Also die Unvollkommenheit der Währungsunion, inwieweit droht sich das eigentlich auszuwirken darauf, dass man versucht, nach außen einfach Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. Dass man die Währung schwächt und sagen wir mal in einem abstrakteren Sinne hält die Arbeit, aber so ganz konkret nicht. [00:05:49.0 @timpritlove] Ja, die ganzen Änderungen, also insbesondere die Finanzkrise, die uns ja seit 2008 bis heute eigentlich in irgendeiner Form umtreibt mit all seinen Auswirkungen, war ja im Prinzip auch ein interessanter Test für den Wirtschaftsjournalismus. [00:06:06.0 @henrikmüller] Finden Sie? Inwiefern? [00:06:06.4 @timpritlove] Naja insofern als dass natürlich grundsätzlich Wirtschaft in meiner Wahrnehmung einfach sehr wenig verstanden wird von der Öffentlichkeit. Es handelt es sich hier einfach um etwas, was zwar irgendwie alle betrifft, aber viele Grundbegriffe schon werden von fast jedem anders interpretiert und was nun wirklich worauf eine Auswirkung hat, ja wer weiß schon, was irgendwie die Änderung des Diskontsatzes irgendwie bedeutet, oder sonst irgendwelche steuerlichen Maßnahmen. Selbst wenn jetzt auch die EZB sagt, ja wir machen jetzt mal hier negative Zinsen, was bedeutet das eigentlich, worauf hat das eine Auswirkung, wie betrifft mich das. Welche Maßnahme – da ist ja auch so ein Wechselspiel. Das ist einfach eine komplexe Materie. Und ich denke, an der Stelle kommt für den Journalismus ja auch eine erklärende Aufgabe hinzu. Ich weiß nicht, ob der Wirtschaftsjournalismus dem immer so gerecht wird? [00:07:00.3 @henrikmüller] Ja einerseits haben Sie recht. Natürlich ist das sehr komplex und es betrifft uns alle. Und es ist ja in gewisser Weise etwas epochales, was seit 2008 passiert. Und wir sind noch nicht am Ende dieser Entwicklung. Also ganz grob gesprochen würde ich sagen, wir sind am Ende eines sehr langen Aufbaus von Schulden und wir wissen nicht richtig, wie wir da runterkommen sollen. Und da geht es nicht nur um Staatsschulden, sondern auch um private Schulden. Deutschland ist unmittelbar davon relativ wenig betroffen. Unsere Verschuldung insgesamt ist relativ niedrig, aber in vielen anderen Ländern sieht man diese Entwicklung einfach und die beginnt nicht erst 2008, sondern sie beginnt irgendwann in den 90er Jahren. Und das betrifft nicht nur die Eurozonen. Das betrifft die USA, es betrifft das Vereinigte Königreich, Japan und viele andere Länder. In gewisser Weise erleben wir im Moment so eine Epochenwende, wo man sich schon fragen kann, was eigentlich aus dem Kapitalismus wird. [00:07:53.9 @henrikmüller] Wenn Sie sagen, der Wirtschaftsjournalismus muss erklären, da haben Sie einerseits recht, andererseits sind wir vor allem glaube ich auch gefordert, zu suchen, erst mal. Weil für vieles, das muss man einfach ehrlicherweise sagen, haben wir auch keine unmittelbaren Erklärungen. Also wir können nicht auf die Lehrbücher zurückgreifen und sagen, jetzt passiert das und das. Sondern in so einer Sondersituation, wie wir die haben, wie wir die seit Generationen nicht erlebt haben und auch in dieser Konstellation noch nie erlebt haben, sind wir alle Suchende, auch die Wissenschaft ist suchend, auch die Journalisten sind suchend und sollten sich auch so verstehen. Das heißt nicht, dass man nicht auch erklären kann, Teilaspekte erklären kann, aber dass man das Gesamtszenario erklären kann in so einem totalen ökonomischen Welterklärungsmodell, das ist einfach Hybris, so sollte man da auch nicht dran gehen. [00:08:46.7 @timpritlove] Wie sollte man denn da ran gehen? [00:08:48.9 @henrikmüller] Ja wie gesagt, als Suchender. Also zu gucken, was passiert da eigentlich. Tun wir eigentlich das richtige? Sitzen wir möglicherweise falschen Erzählungen auf oder stimmen eigentlich die Erzählungen, die Narrative, die uns so umtreiben, sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Politik als auch in der ökonomischen Wissenschaft. Halten die eigentlich den Faktenstand? Also wenn jetzt die Europäische Zentralbank die Märkte mit Geld flutet und alle sagen ihnen, das muss jetzt sein, dann kann man schon mal fragen, muss das eigentlich sein? Genauso kann man fragen, gerade in Deutschland gibt es ja viele Leute, die sagen, die ruinieren die Währung, stimmt das eigentlich? Ruinieren sie die eigentlich wirklich? Was sind eigentlich die Handlungsoptionen? Warum handeln die jetzt eigentlich so? Und das ist eine sehr schwierige Materie, mit sehr vielen Wechselwirkungen, auch globalen Wechselwirkungen. Wir sehen im Moment, wir haben ja gerade über das Thema Wechselkurse gesprochen, wie die Wechselkurse sich überall bewegen, wer weiß was daraus sozusagen für geopolitische Konstellationen entstehen. [00:09:45.9 @henrikmüller] Also vielleicht, ich spinne jetzt mal, aber vielleicht fängt China an, irgendwann zu sagen, ihr manipuliert euren Wechselkurs in unfairer Weise und wir haben selber hier Probleme im Moment, jetzt machen wir hier mal ein paar Zollschranken dicht. Oder wir behindern euren Export, gerade auch deutschen Export nach China, weil ihr euch uns gegenüber unfair verhaltet. Also es gibt unglaublich viele Rückwirkungen in dieser Welt und wie gesagt Journalisten und auch Wissenschaftler sollten sich vor allem als Suchende verstehen, auf der Suche natürlich nach Erklärungen, aber nicht so excatedra??? da zu sitzen und versuchen, die Welt zu erklären. Und zu sagen, das ist der Mechanismus und so läuft es. Das halte ich für unseriös. [00:10:31.4 @timpritlove] Das heißt der gute Wirtschaftsjournalist, der hat auch einen gewissen theoretischen Unterbau und daran zu arbeiten ist jetzt Ihr neues Projekt. Es gibt an der Technischen Universität Dortmund interessanterweise in der Fakultät Kulturwissenschaften jetzt einen neuen Studiengang. Im Prinzip auch ein komplett neues Fachgebiet. Wie heißt das richtig? Wirtschaftspolitischer Journalismus. [00:10:58.3 @henrikmüller] Genau. [00:10:59.3 @timpritlove] Also schon auch nochmal mit diesem extra Politikflag, das haben wir jetzt noch gar nicht besprochen. Und das ist jetzt Ihre Aufgabe, da mit einer neuen Professur, die ja auch vom Stifterverband unterstützt wird, diesen Fachbereich neu zu entwickeln. [00:11:14.4 @henrikmüller] So ist es. [00:11:16.3 @timpritlove] Worum soll es denn da gehen? [00:11:18.8 @henrikmüller] Ich bin seit Herbst 2013 da, also ich bin jetzt am Ende meines dritten Semesters sozusagen. Was ich tue ist, zwei neue Studiengänge aufzubauen. Einen für wirtschaftspolitischen Journalismus. Das ist am Institut für Journalistik in Dortmund. Das ist die größte Journalistenausbildung an einer Universität, die es im deutschsprachigen Raum gibt. Acht Professuren. Eine davon ist jetzt eben meine. Und das ist eine einerseits theoretisch fundierte Ausbildung, die wir da anbieten. Wo die ein komplettes VWL-Studium an der WISO-Fakultät in Dortmund absolvieren und dazu eben in Lehrredaktionen an der Uni praktische Arbeit als Journalist lernen. Radio, Fernsehen, Print. [00:12:09.7 @timpritlove] Das heißt das ist eine Ergänzung eines VWL-Studiums oder wie muss man sich das vorstellen? [00:12:12.8 @henrikmüller] Na es ist eigentlich so eine Art Doppelstudium fast, also die haben auch schon gut zu tun muss man sagen. Also es ist schon auch anspruchsvoll. Und insbesondere wenn Sie nicht der Mathecrack sind ist es anspruchsvoll in den ersten Semestern. Sie müssen erst mal durch diese ganzen VFL-Grundlagen durchkommen. Das halte ich aber schon auch für wichtig. Und zwar aus zwei Gründen, zum einen schult es das Denken, nicht dass Ihnen da unbedingt die Wahrheit erklärt wird, aber es schult das Denken in bestimmten Kategorien und auch Effekte auseinanderzuhalten und sozusagen vernünftige Argumentationslinien aufzubauen, zum anderen ganz praktisch aus Karrieregründen eröffnet das den Studierenden die Möglichkeit nach dem Bachelorabschluss, auch noch was anderes zu studieren. Das ist ja bei Journalistikabschlüssen nicht immer unbedingt so gegeben, da sind Sie jedenfalls viel eingeschränkte, aber mit so einem im Prinzip Doppelabschluss können Sie entweder als Volkswirt weitermachen, Sie können in Richtung Kommunikationswissenschaft weitermachen, Sie können internationale Politik oder was auch immer im Masterstudiengang machen und das ist schon eine tolle Sache. [00:13:15.6 @henrikmüller] Und egal was Sie hinterher damit machen, ob Sie als Journalist arbeiten, also wir bilden sortenrein als Journalisten aus, speziell mit dieser Perspektive. Aber egal was Sie hinterher machen, ob Sie bei einer Bank arbeiten, in einem Ministerium, bei einer internationalen Organisation oder so, es nützt Ihnen immer, wenn Sie erstens schreiben können, zweitens in ein Mikrofon sprechen und mit einer Kamera umgehen können bzw. Sich vor einer Kamera geben können. [00:13:46.0 @timpritlove] Da gehört einiges dazu auch ohne Kamera. Was waren denn jetzt so, ich meine Sie sind ja im Prinzip ein totaler Quereinsteiger in die Wissenschaftswelt, und grad hier sprechen wir ja auch viel über, wie organisiert man sich als Wissenschaftler, wie muss man sich aufstellen. Und dann ist man ja quasi als Quereinsteiger der totale Novize. Was waren denn so Ihre Erfahrungen? Weil vorher war ja quasi einerseits die Verlagswelt so als spezifische Branche, aber dann natürlich auch die Kenntnis um die Wirtschaft als ganzes und ihre Prozesse und Entscheidungswege und Arbeitsmethoden, wie war denn da jetzt dieser Wechsel in diesen universitären Kontext, war das irgendwie wie erwartet, war das ganz anders, besser als gedacht? Vielleicht auch unabhängig jetzt von der Wertung, wie ist es für einen, sich so umzustellen auf so ein neues Feld und wissenschaftlich zu arbeiten? [00:14:44.0 @henrikmüller] Also insgesamt ist es viel besser als gedacht. Also ich bin eigentlich mit relativ offenen Erwartungen da ran gegangen und habe so gedacht, das ist doch mal eine tolle Sache, mit 47 als ich damals war, mit 47 nochmal 20 Jahre Zeit zu haben, nochmal was wirklich neues aufzubauen und eigentlich einen neuen Beruf zu ergreifen. Und das sogar hier in so einer tollen Position, die man als Professor hat. Auch wie toll die Position ist war mir vorher eigentlich auch nicht so klar. Also die Freiheit, die damit einhergeht. Auch die Bewegungsfreiheit, was neues anzustoßen. [00:15:16.2 @timpritlove] Jetzt generell als Professor oder jetzt in dieser spezifischen Professur? [00:15:19.2 @henrikmüller] Sowohl als auch. So der Übergang war so, ich habe bis zum 02. Oktober 2013 in der Chefredaktion vom Managermagazin gearbeitet, dann habe ich ein paar Tage Urlaub mit meiner Familie gemacht und ab Montag war ich in Dortmund in meinem Büro. Und Sie können sich das, das ist wie in so einem Film, wo auf einmal Ruhe einkehrt. Auf einmal steht die Kamera still und man hat ein Standbild. Und so ungefähr war das. Also ich kam aus der Chefredaktion, wo die ganze Zeit es knallt. [00:15:47.6 @timpritlove] Gewusel war. [00:15:47.9 @henrikmüller] Also die ganze Zeit klingelt das Telefon, irgendjemand kommt rein, Sie müssen die ganze Zeit etwas entscheiden, E-Mails gehen ein usw. Und dann saß ich in meinem Büro in Dortmund und es herrschte vollkommene Stille. Ich hatte einen neuen E-Mail Account. [00:16:01.4 @timpritlove] Ich hatte jetzt gerade das Geräusch einer Autotür, die sich schließt. [00:16:05.6 @henrikmüller] Ja so genau so ein bisschen so war das. Und das hat sich inzwischen geändert. Das hat sich geändert. Aber das war so die erste, gerade die erste Woche, bevor die Studenten dann kamen. Also für mich war das ein totaler Kaltstart. Da war erst mal totale Ruhe und ich habe zuerst gedacht, was ist denn hier los. Also man muss sich da erst mal dran gewöhnen, auch diese Ruhe nutzen zu lernen. Das ist mir dann aber ziemlich schnell gelungen und es ist eben so als Professor, dass Sie sich selber Ziele setzen können, Ziele setzen müssen, Projekte anstoßen usw. Und es war dann binnen weniger Wochen eigentlich so, dass ich doch eigentlich genauso viel zu tun hatte wie vorher, nur dass es tatsächlich auch bis jetzt nicht immer bängbängbäng geht, wie das in der Chefredaktion war und was ich ehrlich gesagt sehr genieße. Weil Sie zwischendurch doch viel mehr Zeit haben, nachzudenken, auch echt interessante Diskussionen mit Mitarbeitern, mit Kollegen zu führen. [00:17:04.2 @henrikmüller] Forschungsprojekte anzustoßen, was wir jetzt versuchen usw. Also das ist eine tolle Sache und ich habe festgestellt, dass so bestimmte Sachen, die ich als Journalist in leitenden Positionen, in Redaktionen gelernt habe oder mir angeeignet habe, sagen wir mal, dass die eigentlich so ähnlich auch an der Uni funktionieren. Also letztlich geht es ja immer darum, Leute zusammenzufinden und in einem Team was neues zu machen. Dass Sie alle irgendwie im Elfenbeinturm, in Ihrem Kämmerchen sitzen und sich irgendwas ausdenken, das mag es geben, aber das ist glaube ich nicht mehr Regel. Sondern in der Regel entsteht neues dadurch, dass man zusammenarbeite, Leute für gemeinsame Ziele, für Projekte begeistert und die dann für sich auch Spaß daran finden und arbeiten. Und ich habe zwei super Doktoranden. Ich habe ein paar wirklich sehr interessante Kollegen, also es macht echt großen Spaß. [00:17:59.0 @timpritlove] Das heißt alles super sozusagen? [00:18:05.3 @henrikmüller] Ja. [00:18:06.1 @timpritlove] Und es gab da keinerlei Reibungen, keinerlei Umgewöhnung an Dinge, die irgendwie anders waren als man gedacht hat? [00:18:16.9 @henrikmüller] Also ich bin gewarnt worden vor der Universitätsbürokratie. Ich erinnere mich an mein Vorsingen in dem Berufungsverfahren, wo mir der eine Prorektor sagte, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie das mit den Gremiensitzungen ist und wie schwierig das alles ist. Und ich habe dann gesagt, ja also ehrlich gesagt, das schreckt mich nicht. Und jetzt im Nachhinein, ich bin inzwischen Fakultätsratsmitglied bei uns auch usw. Also natürlich ist das nicht immer die reine Wonne, in solchen Sitzungen zu sitzen, aber es macht ja auch einen kleinen Teil nur aus. [00:18:50.9 @henrikmüller] Wenn ich ältere Kollegen höre, wie die über die alten Zeiten des Professorendaseins sprechen, da hat sich natürlich schon eine ganze Menge geändert. Das empfinde ich jetzt aber natürlich als jemand, der von außen kommt, nicht so. Vor allem geht es darum, dass Sie heute als Professor natürlich so eine Art Entrepreneur sind, also insbesondere wenn Sie forschen wollen, müssen Sie eben Gelder dafür ran schaffen. Es ist nicht so, dass Sie irgendwo an einer Stelle – jedenfalls ist das nicht meine Erfahrung – dass Sie zu einer Stelle an er Uni gehen und sagen, ich habe das und das vor und dafür brauche ich jetzt die und die Mittel und so war das wahrscheinlich früher eher. Das ist jedenfalls das was ich höre. Heute sind Sie als Professor im Prinzip in der Pflicht, Mittel einzuwerben. [00:19:26.7 @henrikmüller] Und da gibt es viele, die das stört. Die sagen, das ist auch mit unabhängiger Wissenschaft eigentlich nicht zu vereinbaren. Ich finde es ehrlich gesagt ganz spannend. Weil das eine Möglichkeit ist, einfach neue Dinge anzustoßen, die man – und das ist ja die Welt aus der ich komme, in der Verlagswelt – eigentlich gar nicht mehr hat. Sondern da geht es überwiegend um Abbau und irgendwie das zu halten, was man hat. Aber hier gibt es schon die Möglichkeiten, indem Sie Mittel von außen rein holen, indem Sie Leute dafür begeistern, was Sie vorhaben, Neues anzustoßen. Und das finde ich schon ???. Also mir liegt das glaube ich und ich hoffe, dass wir da Erfolg haben in dieser Hinsicht. [00:20:14.2 @timpritlove] Was sind denn dann jetzt sozusagen die Ziele? Was sind so die Lehrinhalte, die jetzt sich in den ersten Semestern abgezeichnet haben, worauf man hin will? Woran wird geforscht und vor allem dann eben auch gerade jetzt im Zusammenhang mit dieser Drittmittel-Geschichte? Wen begeistert man jetzt sozusagen dafür, so etwas zu fördern und zu unterstützen? Das finde ich sehr interessant, weil jetzt kommt ja Wirtschaft sozusagen in doppelter Hinsicht ins Spiel. Was soll vermittelt werden, was sind die Inhalte des Studiengangs, gerade jetzt spezifisch mit diesem wirtschaftspolitischen Schwerpunkt, den haben wir ja so noch gar nicht besprochen, das würde mich mal interessieren. [00:20:55.6 @henrikmüller] Fangen wir vielleicht mal mit den Inhalten des Studiums erst mal an, weil was wir auf der Forschungsseite machen geht ja fast schon in eine bisschen andere Richtung. Mein Ziel ist es, Wirtschaftsjournalisten, wirtschaftspolitische Journalisten auszubilden, die wissen wovon sie reden, wovon sie schreiben. Die fachlich gut sind und die vor allem ihre Rolle verstehen, als jemand – und das ist ein hoher Anspruch – als jemand der sozusagen auf Augenhöhe mit anderen Entscheidern sozusagen in Wirtschaft, in Politik auch mit Wissenschaftlern, mit Ökonomen auf Augenhöhen reden kann. Und das ist ein hoher Anspruch, den man auch erfüllen muss. Also dazu muss man was wissen und dazu muss man auch was können. [00:21:39.5 @timpritlove] Sonst wird man ja auch nicht ernst genommen. [00:21:41.9 @henrikmüller] Sonst wird man nicht ernst genommen. Aber mein Eindruck ist, dass der Journalismus, wie wir ihn denn draußen so mitkriegen, und wie er sich heute in der Realität vielfach darstellt, diesem Ideal eigentlich oft nicht gerecht wird, sondern dass die schon eindeutig sehen, durch wen Artikel oder Beiträge beeinflusst sind. Und so sollte das eigentlich nicht sein. Sondern Journalisten, ein guter gerade Wirtschaftsjournalist, der ja auf der anderen Seite mit massiven Interessen konfrontiert ist, seitens der Unternehmen, seitens der Politik, auch durch inzwischen durch NGOs und so weiter. Überall prasseln Interessen auf sie ein. Der sollte sich oder die sollte sich einen unabhängigen Blick möglichst bewahren und dazu brauchen sie eine gute Ausbildung. Sie müssen einschätzen können, was ihnen so erzählt wird. Sie müssen Interessen einschätzen können, die ihnen erzählt werden und sie müssen einen eigenen Standpunkt entwickeln. Und ich versuche, meinen Studierenden nicht diesen Standpunkt vorzugeben. Also zu sagen, du musst so oder so sein, du musst irgendwie keine Ahnung neoliberaler sein oder linker oder ein Kensianer??? oder irgendwas, aber die müssen, sollen ihren eigenen Standpunkt entwickeln und sollen sich auch darüber klar sein, aus welcher Warte auch immer … [00:22:57.9 @henrikmüller] ... das hat ja viel damit zu tun auch mit dem persönlichen Hintergrund. Aus welcher sozialen Schicht komme ich, was habe ich für Erfahrungen gemacht usw. Sich bewusst zu sein, aus welchem Hintergrund man auch die Realität beurteilt und warum einem bestimmte Positionen sympathisch sind und andere nicht. Also so ein ständiger Reflexionsgrad. [00:23:13.9 @timpritlove] Dass man auch dieses journalistische Ideal der Neutralität so eigentlich gar nicht existieren kann. Also man steht halt immer irgendwo. [00:23:20.3 @henrikmüller] Na wie Sie sagen, es ist ein Ideal. Also das gehört natürlich schon dazu, wenn man versucht, wahrhaftig – ein großes Wort – wahrhaftig zu berichten über das, was da draußen los ist. Dass was da draußen los ist finde ich eigentlich ein besseres Bild, als zu sagen, was eigentlich Realität oder Wahrheit ist. Aber sich diesem, was da draußen eigentlich los ist, zu nähern und das mal redlich zu tun, indem man auch nicht nur seinen eigenen Vorurteilen aufsitzt und die versucht, zu bestätigen, sondern indem man offen ist für die Entwicklung, die da sind. Und das ist eigentlich ja auch das spannende, was diesen Journalistenberuf ausmacht, dass man auch sich selbst überrascht, durch das was man findet. [00:24:00.4 @timpritlove] Sie sagten, wenn man es sich heute anschaut, dann sieht man schon, wovon es beeinflusst ist. Was sieht man denn da heute? [00:24:09.4 @henrikmüller] Sie sehen viel sehr schlecht recherchierten Journalismus. Und das hat nicht nur damit zu tun, mit der Journalistenausbildung, sondern das hat vielfach schlicht damit zu tun, dass es keine Zeit mehr gibt, in den Redaktionen zu recherchieren. [00:24:22.5 @timpritlove] Da ist die Schwäche eher auf der wirtschaftlichen oder auf der politischen Seite? [00:24:26.8 @henrikmüller] Sowohl als auch. Sie haben viele Schnellschüsse, viele ein-Quellen-Geschichten, ein-Quellen-Beiträge, wo dieser Reflexionsgrad auch so ein intellektueller Reflexionsgrad, auch diese Suche, sozusagen nachdem was da draußen los ist gar keine Rolle mehr spielt. Und Sie haben ganz viel Boulevardisierung, wo es selbst in seriösen Zeitungen ganz viel Boulevardisierung, wo es einfach nur noch um Personen geht oder wo die Personen total im Vordergrund stehen und die vollkommen vernebeln, worum es eigentlich in der Sache dahinter geht. Also wenn ich in namhaften deutschen Zeitungen, ich will jetzt auch mit vielen mehr kooperieren, ich will jetzt keine Namen nennen, aber wenn Sie namhaften deutschen Zeitungen immer wieder die Geschichte über Frau von der Leinen – das ist jetzt kein wirtschaftspolitisches Thema, aber das fällt mir gerade ein – über Frau von der Leinen als Person und wie sie sich inszeniert und wie populär sie gerade ist und ob sie Bundeskanzlerin werden will oder nicht, lesen, dann interessiert mich das ehrlich gesagt beim 2. oder 3. mal gar nicht mehr, ich will aber wissen, was ist eigentlich die richtige Militärstrategie für Deutschland oder für Europa. [00:25:26.1 @henrikmüller] Was sind eigentlich die entscheidenden Fragen, was sind die Kernzahlen dabei. Was sind die Optionen, die wir haben, darüber lesen Sie fast nichts. Sie lesen aber viel – schönes deutsches Wort – Sie lesen viel Bullshit über Personen. [00:25:41.1 @timpritlove] Mich würde aber mal interessieren, was vielleicht so spezifische Schwächen sind, die Sie da ausgemacht haben. Also was sind so spezifische Politikwissensschwächen, die im Journalismus teilweise zu beklagen sind. Was sind klassische Wirtschaftswissensschwächen, die sich so festmachen? Also wenn es jetzt nicht nur ... - weil das eine ist der Druck des Verlags. Dieses man kann es Boulevardisierung nennen, man kann auch sagen, man hat die Story schon vorher im Kopf und dann sucht man sich noch die O-Töne dazu und dann produziert man im Prinzip so einen Roman versus man versucht wirklich, wissenschaftlich oder journalistisch zu arbeiten, vielleicht eben auch wissenschaftlich, aber es fehlt einem Grundwissen und deswegen macht man es nicht gut. Was sind diese Schwächen, die an der Stelle zu Tage treten, wo mangelt es und was versuchen Sie auch im Rahmen des Studiums vielleicht auszugleichen in der Hinsicht? [00:26:32.0 @henrikmüller] Ich habe den Eindruck und das kann man auch messen. Ich habe den Eindruck, dass solche Herdentriebe, solches Herdenverhalten im Journalismus immer stärker wird. Und das liegt insbesondere auch an der Digitalisierung und an diesem Zwang, möglichst viele Klicks zu generieren, um die Werbeauslieferungen finanzieren zu können. Das heißt nicht unbedingt, dass das immer alles falsch ist was da steht, aber es springen alle auf ein Thema drauf. Und dabei geht einfach vieles unter. Also man braucht gar nicht anzufangen mit der Wulff-Geschichte damals, was glaube ich kein Musterbeispiel war für guten Journalismus. Aber das gilt im Moment auch zum Beispiel für die Griechenland-Berichterstattung. Also wir betrachten oder auch in den letzten Jahren, wir betrachten die Eurozone immer aus Sicht von Griechenland und immer auf irgendwelche Schlüsselereignisse hin. [00:27:27.8 @henrikmüller] Es gibt wieder irgendein Treffen in Brüssel, wo es um die nächste Trange??? geht. Und dann gibt es sozusagen so einen medialen Overkill, wo dann so viel drüber berichtet wird bis es wirklich keiner mehr hören kann. Und dann versinkt das Thema wieder irgendwo in der Vergessenheit bis zum nächsten Schlüsselreiz sozusagen, zum nächsten Schlüsselereignis und dann steigen wieder alle drauf. Das ist eigentlich nicht so, wie ich mir die Funktionsweise des Wirtschaftsjournalismus vorstelle. Sondern der sollte im Prinzip, wenn Sie denn auf der Suche sind nach der Wahrheit und dem was sich da gerade draußen verändert, sollten Sie eigentlich bevor solche Entwicklungen eintreten reagieren. Also der ganze Weg in die Finanzkrise ist in der Retrospektive für mich eigentlich noch rätselhafter als er damals schon war. Weil man sieht, man konnte damals auch sehen, Mitte der 2000er Jahre konnte man sehen, wo wir rein laufen. [00:28:21.4 @henrikmüller] Und nicht nur ich, auch andere haben immer mal wieder drüber berichtet, das hat aber das Grundnarrativ nicht verändert. Das Narrativ lautete, Finanzmärkte sind stabil, Schulden sind irrelevant, wir haben jetzt Globalisierung, der Euro ist super, wir haben ja auf einmal neue Wirtschaftswunderländer wie Spanien und Irland, da kann im Prinzip gar nichts schief gehen. 2008/2009/2010 haben wir gemerkt, wir haben einen riesigen Mist angerührt. Mit einer über viele Jahre vollkommen übermäßigen Verschuldung und zwar insbesondere der privaten Sektoren. Da hat keiner drauf geguckt. Das war außerhalb des Narrativs. Man konnte das zwar sehen und wie gesagt, wir haben ja immer mal wieder Geschichten darüber geschrieben. Ich habe viele Geschichten darüber geschrieben, über Ungleichgewichte international, innerhalb der Eurozone. Wie sich die Lohnstückkosten auseinanderentwickeln innerhalb der Eurozone. Also wie Länder immer weniger wettbewerbsfähig werden und wir gar keinen Mechanismus dafür haben, wie das früher der Wechselkurs mal war, um Länder auf die Schnelle wieder wettbewerbsfähig machen zu können. [00:29:23.3 @henrikmüller] Das lag alles auf dem Tisch und hier und da wurde auch mal drüber berichtet. Es gab auch immer mal wieder irgendwelche wissenschaftlichen Studien darüber, aber im Prinzip hat das das Narrativ nicht verändert, sondern dieses dominante Narrativ, dass wir uns sozusagen in einer neuen Welt bewegen, wo solche Dinge alle keine Rolle mehr spielen, das war so stark, und hat die Wirklichkeit so überstrahlt, dass wir kollektiv in eine falsche Richtung gelaufen sind und mit den Folgen haben wir bis heute zu kämpfen und es ist noch lange nicht vorbei. [00:29:55.6 @timpritlove] Und glauben Sie, dass der Journalismus an der Stelle sich da hätte mehr am Riemen reißen müssen und auch wirklich einen Unterschied gemacht hat? Ich meine, Sie haben ja nun teilweise darüber geschrieben und dann kam halt einer und hat gesagt, das will aber keiner lesen, damit verdienen wir hier nicht unseren Unterhalt, sondern sing doch mal bitte das Lied was alle singen, weil das ist ja die Information, die nachgefragt wird und die geklickt wird und die dann die Werbeeinblendung erzeugt, die letzten Endes das Gehalt bezahlt. Ich meine das ist ja im Prinzip so ein bisschen die böse Realität an der Stelle. Wie kann man dem denn jetzt sozusagen aus der Position eines Professors einem jungen VWL und Wirtschaftsjournalismus Studenten klarmachen, dass das trotzdem sinnvoll ist, da den hehren Zielen zu folgen? [00:30:34.6 @henrikmüller] Weil die bessere Geschichte die ist, die überraschend ist. Und die an er gerade vorherrschenden Meinung, also am dominanten Narrativ rüttelt. Das ist die bessere Geschichte, mit der man sich von der Herde absetzt und die immer wieder in Zweifel stellt, was eigentlich gerade die herrschende Meinung ist und was die herrschenden Überzeugungen sind. So eine Grundskepsis. Ich sage immer, man sollte konstruktiven Negativismus üben. Also man sollte auf das gucken, das ist unsere Aufgabe als Journalisten, auf das zu gucken, was nicht gut läuft oder wo sich Probleme aufbauen. Und wir sollten das aber nicht sozusagen als Masche tun, wo wir Dinge übermäßig dramatisieren, sondern wir sollten das in einer konstruktiven Art und Weise tun, indem wir uns auch bemühen, zumindest mal Ansätze für Lösungen mitzuliefern. Also konstruktiver Negativismus. Ich habe so 6 Gebote aufgeschrieben für meine Studenten und damit endet das. Also das ist sozusagen die Grundhaltung mit der ihr da ran gehen solltet, mit einer grundlegenden Skepsis daran, was im Moment eigentlich alle glauben. [00:31:31.8 @timpritlove] Was sind denn die ersten fünf? [00:31:34.0 @henrikmüller] Da locken Sie mich jetzt auf Glatteis. [00:31:37.1 @timpritlove] Entschuldigung. [00:31:36.6 @henrikmüller] Wahrhaftigkeit natürlich. [00:31:40.9 @timpritlove] Sie müssen nicht alle aufzählen. Bleiben wir vielleicht nochmal ganz kurz doch bei diesem Ding. Also inwiefern ist denn da an der Stelle – also sehe ich jetzt ein, man soll nicht trollen, sondern man soll sozusagen konstruktive Kritik machen und darüber sich irgendwie differenzieren. Die Frage ist natürlich, inwiefern wird so was auch innerhalb einer Redaktion oder eines Verlages entsprechend gewürdigt? [00:32:05.7 @henrikmüller] Ich glaube es funktioniert, wenn Sie gute Geschichten erzählen, wenn Sie die Geschichte gut erzählen, die Sie zu erzählen haben. Die skeptische Geschichte, die Sie zu erzählen haben, dann finden Sie auch Leser. Wenn Sie nur das Gleiche wiederholen, was im Prinzip gerade alle schreiben, dann können Sie es auch lassen. Das ist dann aus ökonomischer Sicht Commodity, also was was letztlich keinen Wert hat. Und das entwertet auch den Journalismus sozusagen insgesamt in diesem System. Der wird dann auch irrelevant. Und Sie machen sich selber irrelevant damit, wenn Sie einfach das wiederholen, was alle meinen und nur noch die nächste Stimme dazu holen von irgendeinem Experten. [00:32:44.3 @timpritlove] Ist denn der Trend zum Onlinejournalismus an der Stelle vielleicht auch ein Vorteil? Es wird ja generell sehr kritisch noch gesehen so in der Verlagslandschaft. So das große Digitale ist ja ein bisschen so der böse Schatten, der sozusagen so alles zunichte macht und man rennt dann immer zur Politik und möchte gerne ein Leistungsschutzrecht haben und was nicht alles, um dann irgendwie noch mal vor Schlägen bewahrt zu werden. Aber ich denke, das Ganze ist ja ohnehin ja einerseits unvermeidlich, aber vielleicht eben auch sehr wünschenswert, gerade im Hinblick auf, alle schreiben das Gleiche und nur einer schreibt was anderes. Man hat ja auch die Möglichkeit mittlerweile, vorbei an etablierten Kanälen dann eben auch ein Agendasetting zu betreiben, obwohl man eben vielleicht auch nur ein Wirtschaftsblog ist, weil in dem Moment, wo alle sagen, oh da steht aber mal was interessantes, erzeugt man ja eine Aufmerksamkeit und man hat ja zunächst einmal die selbe Chance, zumindest theoretisch, im Netz genauso verlinkt zu werden, wie alle anderen auch, weil man eben unabhängig ist von Vertriebskanälen etc. Spielt Online an der Stelle irgendwie bei Ihnen auch noch eine spezielle Rolle? [00:33:44.0 @henrikmüller] Also erstens, unsere Studierenden durchlaufen natürlich bei uns die Online-Lehrredaktion und Online ist wenn man so will eigentlich das Zentrum der praktischen Journalistenausbildung, weil da letztlich alles zusammenfließt. Also das was man für Printjournalismus braucht, das was man für Fernsehen, also Bewegtbild und für Radio braucht, das fließt letztlich ja alles bei Online zusammen. Also es ist in gewisser Weise inzwischen das Zentrum der Ausbildung. Blogs sind eine interessante Geschichte, auch Kommentarfunktionen auf Webseiten sind eine interessante Geschichte, dadurch wird natürlich sozusagen der Journalismus in seiner Deutung bestreitbar und man kann auch auf Dinge hinweisen. Also damit passiert genau das möglicherweise, dass sie sagen, solche dominanten oder hegemonialen sogar Narrative in Frage gestellt werden. Das ist erst mal eine gute Sache. Ist glaube ich auch für das Mediensystem insgesamt eine gute Sache, dass es das gibt. [00:34:43.8 @henrikmüller] Was es aber nicht überflüssig macht oder nicht überflüssig machen sollte ist, dass sie den Journalisten oder die Redaktion als sozusagen in gewisser Weise neutrale Funktion da haben, die ein Faktencheck macht, die eine Abwägung vornimmt usw. Was ich wahrnehme ist, was es an Blogs gibt, dass ist ganz oft immer in die gleiche Richtung. Es bilden sich bestimmte Communities, die bestimmte Grundüberzeugungen auch ideologische Grundüberzeugung verfolgen und sich immer nur gegenseitig bestätigen. Als Journalist sollten Sie eigentlich genau das Gegenteil tun. Sie sollten die Leute überraschen. Und Sie sollten sie auch vor kritische Fragen stellen. Und ich hoffe, dass es diese Öffentlichkeit auch in Zukunft geben wird, die sich dem aussetzt und die kritische Fragen sich auch selber stellen will. [00:35:37.5 @timpritlove] Ja gut, ich meine einen Blog zu haben heißt ja nicht zwangsläufig, dass man sich jetzt diesem Trend jetzt so anschließen muss. Also ich halte es nicht jetzt für grundsätzlich unvermeidbar, dass man sich jetzt so verhält, wie Sie es gesagt haben, dass man sich immer gegenseitig in Ansichten bestätigt. [00:35:50.9 @henrikmüller] Aber es gibt doch dieses typische Verhalten, dass Sie bestimmte Fangruppen haben sozusagen, die dann immer wieder darauf zugreifen. Und Sie kriegen da eine ganz bestimmte Sichtweise. Und teilweise auch deformierte Sichtweise, muss man schon sagen. [00:36:02.4 @timpritlove] Die Bubble. [00:36:04.7 @henrikmüller] Ja. Ja wenn man so will, die Bubble. [00:36:06.1 @timpritlove] Ja gut, aber das heißt ja nicht, dass man jetzt sozusagen – ich meine in dem Moment, das ist ja die Frage, auf die ich eigentlich hinaus wollte – wenn man jetzt als Journalist heute neu anfängt, man findet einfach eine veränderte Wirtschaftssituation vor, in der sagen wir mal die klassische Festanstellung, ich geh dann mal in die Zeitung und dann arbeite ich mich da hoch und dann bin ich da für immer und ewig der Journalist, der jetzt für einen bestimmten Bereich, in dem Fall vielleicht für die Wirtschaft, zuständig ist und dann geh ich in Rente. Das ist ja irgendwie für die wenigsten eine Perspektive. Man wechselt häufiger und man sieht vor allem auch, dass also allein schon so dieses Modell Festanstellung ja dann doch irgendwie auch eine schwierige Sache ist. Das heißt, wenn ich mich jetzt eben frage, wie kann ich mein eigenes persönliches journalistisches Profil überhaupt erst mal entwickeln und damit natürlich auch bekannt machen, wäre ja zum Beispiel so ein Blog, muss nicht das einzige sein, es kann ja auch so ein kleines, ich bin eine kleine Minizeitung-Projekt mit ein paar anderen Studenten zusammen, ist ja durchaus ein Weg, wie man dann auch eine Öffentlichkeit schaffen kann. [00:37:08.7 @henrikmüller] Ja. Also wenn ich mir angucke, was die Berufschancen, unsere Einstiegschancen unserer Absolventen angeht, dann glaube ich, dass die zum Teil jedenfalls gute Chancen haben, und zwar insbesondere im öffentlich-rechtlichen Bereich. Da gibt es nämlich und das ist auch ein Grund, weshalb dieser Studiengang überhaupt eingerichtet wurde oder diese Studiengänge, es gibt ja auch noch einen Masterstudiengang Economics und Journalismus, warum diese Studiengänge eingerichtet worden sind, ist, weil es natürlich von da gerade auch einen Bedarf gibt an Leuten, die sich mit Wirtschaftsthemen auskennen, mit Wirtschaftsfragen auskennen und die sich mit den elektronischen Medien im weiteren Sinne auskennen und die das können. Deswegen glaube ich, da werden eine Menge von unseren Leuten unterkommen. Diesen Bedarf gibt es und zwar nicht nur in der Wirtschaft selber, sondern das spielt ja in vielen anderen Bereichen auch eine Rolle. [00:38:05.2 @henrikmüller] Also bis hin zur Außenpolitik, in der Innenpolitik, in der Kommunalpolitik, überall. Dann stimmt es natürlich, es gibt eine Menge junger Journalisten, die inzwischen eben als Entrepeneur mit einem ganzen Portfolio sozusagen von Fähigkeiten und von Angeboten über die Runden kommen müssen, teilweise auch das gut tun, das muss man schon sagen. Also da gibt es schon eine ganze Menge, die als selbstständige Journalisten über verschiedene Kanäle auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Und das ist auch, ich habe letztes Jahr mal unter, im letzten Volontärsjahrgang, also die Studenten gehen ja ein Jahr lang während des Studiums in ein Volontariat, was durch die Uni vermittelt wird, also bei uns durch das Institut vermittelt wird. Und habe denen vorher so einen Fragebogen geschickt vor diesem Seminar, was ich mit denen begleitend gemacht habe zu dem Volontariat, und da war immer noch das Leitbild, ja wir würden eigentlich gerne festangestellt in einer Redaktion arbeiten, aber die allermeisten haben gesehen, dass das wahrscheinlich unrealistisch ist. Also da reden wir jetzt über die normalen Journalistikstudenten. [00:39:15.2 @henrikmüller] Meine ersten Journalistikstudenten gehen ja jetzt erst im Herbst in die, die wirtschaftspolitischen Journalisten, gehen jetzt erst im Herbst in die Redaktionen. Also die meisten von denen haben gesehen, dass das für die unrealistisch ist und dreiviertel haben gesagt, ja wir müssen eigentlich mit so einem Portfolio, mit so einem Bauchladen, der von vielleicht einem eigenen Blog bis hin zu Medientraining, was wir anbieten, für Landesmedienanstalten und so weiter über die Runden kommen, und wir sind aber optimistisch, dass wir das hinkriegen, auch mit einem vernünftigen Lebensstandard. [00:39:47.7 @henrikmüller] Sie haben eben gesagt, sollte man nicht so eine Onlinezeitung gründen als Student, da bin ich ehrlich gesagt skeptisch. Also kann man natürlich machen, aber erst mal müssen sie was zu erzählen haben. Also sie müssen ja erst mal was wissen. Bevor sie was schreiben oder was senden können, müssen wir erst mal was wissen. Und wenn sie das haben, das können sie natürlich auch als Student haben, wenn sie eine Botschaft haben, wenn sie einen bestimmten Ansatz haben, wenn sie tolle Geschichten haben, dann können sie das natürlich tun. Aber einfach so zu sagen, ich blog jetzt mal und erzählt jetzt, was mir heute so durch den Kopf geht oder so. Kann man machen, aber das ist kein Journalismus. [00:40:23.8 @timpritlove] Naja, also ich meine, es gibt da ja auch verschiedene, Blog ist ja nicht gleich Blog. Für mich, ich persönlich sehe so ein Blog erst mal nur als Werkzeug und es gibt ja alle möglichen Stilarten. Das geht ja von so reinen Linkblogs, wo man einfach nur sagt, okay ich fasse hier einfach mal die Presselandschaft zusammen, ich bin einfach nur so ein Aggregator und kommentier das vielleicht so ein bisschen bis hin zu eben, ich gebe meine längeren Kommentare vielleicht zu diesem Artikel und dann ist ja dieses, ich schreibe meine eigenen Artikel und werde jetzt selber zur Primärquellen im Prinzip dann so der letzte Schritt und das muss auch nicht zwangsläufig während des Studiums stattfinden, sondern sozusagen auch als Berufsbeginn war das jetzt von mir gedacht. Aber ich wollte nochmal auf diesen anderen Aspekt, Sie sagten ja, Online ist sozusagen das Zentrum auch für die anderen Formate. Es geht hier jetzt nicht nur um schreibende Zunft. Sondern wir reden jetzt hier quasi wirtschaftspolitischer Journalismus egal, ob man jetzt Fernsehen, Radio im Sinn hat oder eben auch einfach eine klassische Schreibberichterstattung. [00:41:23.0 @henrikmüller] Ja also mein Eindruck ist, dass sich der Fokus verschiebt hin zu elektronischen Medien. Klassisch ist die Ausbildung in Dortmund eine gewesen, die den Fokus hatte auf Regionalzeitungen. Das ist inzwischen nicht mehr so. Also wir haben zwar noch eine ganze Menge Partner bei Regionalzeitungen, die auch zum Teil ganz tolle Ausbildungen machen, die auch zum Teil noch ganz toll funktionieren, auch als Geschäftsmodell. Aber es gibt schon auch seitens der Studenten zunehmendes Interesse an elektronischen Inhalten. Was sich auch in der Form, wir haben ein Radiostudio, es gibt einen Lehrsender an der Uni, also einen Radiosender, es gibt ein Fernsehstudio, wir haben angeschlossen an das Institut den Lernsender NRVision, was so eine Art offener Kanal ist. Also so eine Art Bürgerfernsehen, was im Kabel in Nordrhein-Westfalen läuft. Da gibt es ein riesen Fernsehstudio und alles unter professionellen Bedingungen, das ist schon eine tolle Sache. [00:42:20.2 @henrikmüller] Und bei Online fließt das eben alles zusammen. Und wenn ich sehe, was die so alles können, was die auch technisch alles können, das ist schon toll. Ich bin ja jetzt schon auch bei meinen Drittsemestern, die haben für so eine Veranstaltung, die wir gemacht haben, so Einspieler produziert, so wie man das bei Maybrit Illner oder so sieht und das haben die schon toll gemacht, also ich war echt begeistert. Auch wie die die Technik im Griff haben. [00:42:45.2 @timpritlove] Genau, weil das ja auch so einfach geworden ist. [00:42:48.6 @henrikmüller] Ja. [00:42:50.6 @timpritlove] Und sicher im Prinzip dadurch auch komplett neue Formate überhaupt erst mal auch erst erdenken lassen. Das finde ich auch so ein bisschen das Versprechen, was ja sagen wir mal so in dieser generellen, oh Gott das neue kommt – Kritik ja dann alles immer schnell untergeht und es gar nicht nur darum geht, alte Sachen zu replizieren und jetzt in digital. Also man macht nicht die selbe Art Fernsehen. Sondern man kann ja allein auch durch die Kombination der verschiedenen Wege einfach eine ganz andere Berichterstattung machen. Ein Punkt und den wollte ich auch gleich nochmal hinterfragen, ob das bei Ihnen auch schon eine Rolle spielt, ist ja dieser noch sehr kleine und neue aber interessante Bereich des Datenjournalismus. Dass man also sagen wir mal sehr viel mehr informiert daher geht und nicht nur jetzt irgendwelche Studien zitiert und Zusammenfassungen Dritter, sondern eben selber anfängt, auch öffentliche oder vielleicht auch nicht ganz so öffentliche Datenquellen anzuzapfen und diese selber zu durchpflügen auf der Suche nach neuen Interessen. [00:43:46.5 @timpritlove] Also natürlich was jetzt Wirtschaft und insbesondere Volkswirtschaft betrifft auch noch mal ein ganz anderer Bereich, weil man ja hier unter Umständen auch Erkenntnisse gewinnen kann, die so bisher noch gar keiner gehabt hat. Ist das irgendwie ein Teil der Ausbildung, hat das schon im Hinterkopf irgendwie eine Rolle gespielt? [00:44:02.6 @henrikmüller] Ja, also es gibt bei meinem Kollegen Holger Wormer, der bei uns den verschwisterten Studiengang Wissenschaftsjournalismus betreibt, der hat ein eigenes Zweitfach jetzt sozusagen geschaffen, Datenjournalismus. Also Sie können sich bei uns darauf spezialisieren. Meine Studierenden machen erst mal im Grundstudium so eine Einführungsveranstaltung jedenfalls Datenjournalismus. Wir kooperieren da auch mit der Informatik bei uns, die eine große Fakultät ist an der TU. Das ist das eine. Dann was ich – das hat aber mit Datenjournalismus, sozusagen mit den neuen Tools, die es da gibt, den neuen Methoden, die es da gibt, erst mal nicht zu tun – aber was ich als Ansatzpunkt meinen Studenten mitgebe ist, guck erst mal auf die Daten. Und es gibt einfach eine Menge Wirtschaftsdaten, die frei und einfach verfügbar sind. Dazu brauche ich keine großartigen Tools, sondern ich muss einfach mir ständig die relevanten Zeitreihen angucken und daraus komme ich schon auf eine ganze Menge interessanter Themen oder Fragestellungen. [00:45:05.4 @henrikmüller] Also wenn ich sehe, dass ich ganz offenbar eine Trendwende in der Zeitreihe habe kann ich mich schon fragen, wo kommt die eigentlich her? Und dahinter stecken in aller Regel Geschichten. Also erst mal und auch wenn ich eine bestimmte journalistische Fragestellung beantworte, auch wenn ich selber was schreibe, auch wenn ich für Spiegel-Online was schreibe, ich gucke mir erst mal die Zahlen an. Gucke mir erst mal die relevanten Zahlen an. Weil Sie erleben ganz viel an Berichterstattung und das ist meiner Einschätzung nach in Radio und Fernsehen noch mehr so, als im gedruckten Journalismus oder im Internet, weil es da auch leichter nachvollziehbar ist. Es wird ganz viel behauptet, was vollkommen ohne Kenntnis von irgendwelchen empirischen Fakten ist. Und so darf gerade wirtschaftspolitischer Journalismus nicht sein. [00:45:53.1 @timpritlove] Man muss sozusagen auch überprüfen können, ob diese Aussagen überhaupt stimmen. [00:45:58.2 @henrikmüller] Ja es ist auch langweilig, wenn man sich einfach instrumentalisiert oder gefährlich sogar, wenn man sich instrumentalisieren lässt durch irgendwelche Wertungen, die man einfach so vorgegeben kriegt. Sondern ich will selber erst mal die Daten kennen und dann begebe ich mich auf die Suche nach Begründungen dafür, warum ist das eigentlich so? Welche Geschichten stecken dahinter? Wie wirkt sich das sozusagen on-the-ground – schönes deutsches Wort – also in der Realität da draußen, wie wirkt sich das eigentlich aus bei den Betroffenen. Und dann haben Sie eine eigene Geschichte, die aber sozusagen eine empirische Fundierung hat. Und die nicht irgendwie so aus dem luftleeren Raum kommt. [00:46:34.2 @timpritlove] Da kommen wir jetzt eigentlich an so einen Punkt, mit dem wir uns noch gar nicht so richtig befasst haben. Also wir haben viel über Wirtschaft geredet, jetzt auch über Journalismus, aber der Studiengang über den wir hier sprechen ist ja wirtschaftspolitischer Journalismus. Das heißt die weitere Dimension, die jetzt hier noch mit reinkommt ist die Politik. Was VWL-Studium in dem Sinne ist zwar das Thema, was die Wirtschaftspolitik beschäftigt, aber es ist ja nicht Politik im eigentlichen Sinne. Inwiefern also welche Rolle spielt der Teil Politik in der Ausbildung, was lernt man über die Politik, also was lernt man über den Umgang mit der Politik, was lernt man über die Dimensionen der politischen Ausübungen, Tricks vielleicht auch, wie ist da Ihre Herangehensweise? Was macht sozusagen das wirtschaftspolitische Studium wirklich so, dass es auch den Namen verdient? [00:47:31.2 @henrikmüller] Also volkswirtschaftlich ist natürlich schon heißt immer ja letztendlich eine politische Dimension. Das heißt im Gegensatz zum Unternehmensjournalismus oder zum Börsenjournalismus oder zur BWL als Wissenschaft, da geht es ja immer letztlich um den einzelnen Akteur oder es geht darum, Instrumente zu entwickeln, die das Arbeiten als Manager verbessern oder so. Oder die ihre Geldanlageerträge maximieren und so was. Diesen Blickwinkel haben sie ja als Volkswirt nicht, sondern als Volkswirt haben sie den Blickwinkel eigentlich wie das immer so schön heißt, die Wohlfahrt zu maximieren. Also den übergeordneten gesellschaftlichen Blickwinkel. Und wirtschaftspolitischer Journalismus heißt im Prinzip für mich, diesen Blickwinkel zu übertragen auf den Journalismus. Also ich gucke mir nicht nur an, was bedeutet das eigentlich für mich als Geldanleger oder als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter oder als was weiß ich was Transferempfänger, als Rentner oder sonst was oder als Verbraucher, das sind ja alles Spielarten des Journalismus, auch des Wirtschaftsjournalismus. [00:48:38.5 @henrikmüller] Sondern ich gucke mir das sozusagen aus dem übergeordneten Gesichtspunkt an, wo ich ja letztlich die Gesellschaft oder am Ende, wenn man so will, die Welt als ganzes, wenn wir über weltwirtschaftliche Zusammenhänge oder auch soziale Zusammenhänge über Grenzen hinweg uns unterhalten, versuche ein Gesamtbild zu schaffen und versuche auszutarieren, wen betrifft das eigentlich wo wie. Und das ist erst mal politisch, weil da geht es um das Ganze. Und die Frage ist dann immer, was heißt eigentlich Wohlfahrtsmaximierung, das ist ja auch bei den Ökonomen eine schwierige Frage, und da sind wir dann dabei, dass jeder sozusagen seinen eigenen Blickwinkel auch entdecken muss dafür. Also was ist ihnen eigentlich wichtig, sind sie – und das ist dann eine individuelle Frage, also ihrer persönlichen Präferenzen auch als Journalist, aber derer sollten sie sich bewusst sein. Also interessiert sie vor allem keine Ahnung Wachstum oder interessiert sie vor allem die Reichen oder interessiert sie vor allem das Neue, also Innovation, Forschung und so weiter oder interessieren sie vor allem die Schwachen in der Gesellschaft. [00:49:45.0 @henrikmüller] All das hat seine Berechtigung, sie sollten sich dann ihres eigenen Fokus und ihrer eigenen Vorurteile, mit denen sie durch die Welt rennen, bewusst sein, und das eben auch reflektieren. Aber erst mal geht es darum, sozusagen so einen übergeordneten Gesichtspunkt, aus dem übergeordneten Gesichtspunkt wirtschaftliche, wirtschaftspolitische Zusammenhänge zu verstehen und dann sich selbst auch als wirtschaftspolitischen Akteur zu verstehen. Weil natürlich sind wir als Wirtschaftsjournalisten, wirtschaftspolitischen Journalisten auch Akteure und stehen in diesem Spannungsfeld aus Interessen und so weiter und sollten uns da auch durch wie gesagt Wissen und Können möglichst raus ziehen aus diesem Geflecht und eine eigenständige Rolle spielen und die auch bewusst spielen. [00:50:31.4 @timpritlove] Was sind denn so die Kooperationspartner außerhalb des wissenschaftlichen Betriebs, also in der Politik, politische Institutionen, mit denen Sie kooperieren. Also so wie es in der Wirtschaft Partner gibt, nehme ich an, wird es ja auch Kontakte mit dem politischen System geben, worüber läuft das? Läuft das über Stiftungen, läuft das über Parteien? Was sind so die Ansatzpunkte, gibt es überhaupt welche? Vielleicht gibt es ja auch gar keine. [00:51:01.3 @henrikmüller] Es beginnt gerade erst. Ich meine wir sind ja im Aufbau. [00:51:04.8 @timpritlove] Deswegen frage ich ja auch. [00:51:05.4 @henrikmüller] Ich versuche sozusagen die, wir machen so eine das sind zwei Veranstaltungen, die heißen Integrationsseminar. Das ist ein bisschen ein komischer Titel, aber das ist bei der Akkreditierung so passiert, dass das eben so heißt, der Akkreditierung des Studiengangs. Integrationsseminar, da geht es um die Integration letztlich von VWL-Fragen, also was die Studierenden in den volkswirtschaftlichen Veranstaltungen lernen, mit wirtschaftspolitischen journalistischen Inhalten. Und im Zuge dieser Seminare gehen wir eben auch raus in die Realität und machen Exkursionen und waren jetzt im Januar habe ich das erstmals gemacht mit der EU-Kommission und war mit einer Gruppe von Studierenden in Brüssel 1,5 Tage. Und das war auch gut vorbereitet, die waren glaube ich gut vorbereitet, das war schon auch eine Freude, zu sehen, wie die sich da geschlagen haben als kritisch Fragende. [00:51:58.3 @timpritlove] Bei welcher Institution ist man da jetzt aufgeschlagen? [00:51:59.6 @henrikmüller] Bei der Kommission. Also wir haben uns insbesondere dann eben mit dem Europäischen Semester beschäftigt. Also mit diesem sehr komplizierten Überwachungsverfahren, was es inzwischen gibt für die Mitgliedsstaaten. Auch so die Frage, was bringt das eigentlich? Das war interessant, weil das war gerade die Woche, wo am Sonntag die Griechenlandwahl war und an dem Donnerstag, das war der Tag, als wir losgefahren sind, die Europäische Zentralbank ihr Quantitive Easing Programm ??? beschlossen hat, also es war eine Menge los. Und wir haben uns sozusagen mit Experten getroffen, also diesen Leuten, die tatsächlich auch eine Menge zu entscheiden haben auf so einer Expertenebene innerhalb der Kommission. Und haben mit denen kritisch darüber gesprochen, was die da eigentlich machen. Und inwieweit das überhaupt durch die Verträge gedeckt ist und solche Fragen kann man ja auch dabei stellen. Also die haben das echt gut gemacht. [00:52:47.8 @timpritlove] Und so auf einer regelmäßigeren Basis, was für Institutionen könnten Sie sich da vorstellen? [00:52:53.2 @henrikmüller] Ja das soll jedes Jahr stattfinden. Also das will ich sowohl für Brüssel, also was die EU-Kommission angeht, auch was das Parlament angeht, was auch Lobbyisten angeht, mit denen haben sie ja auch zu tun. Mit denen müssen sie auch den Umgang lernen als Studenten. Dann für Berlin ist natürlich auch ein wichtiger Standort eben desgleichen. Die relevanten Ministerien kennenlernen, mal mit so einem Sprecher sich zusammensetzen, mal merken, wie der eigentlich tickt. Auch überhaupt die Scheu zu verlieren vor großen Tieren sozusagen. Also wie gesagt die relevanten Bundesministerien, auch da Verbände, Gewerkschaften, usw. Und dann auch Frankfurt. Also insbesondere Europäische Zentralbank und Bundesbank, die da eine Rolle spielen. Also das ist eigentlich das, die will ich eigentlich abdecken im Studium sozusagen, dass man zumindest mal diesen Kontakt hat. [00:53:45.6 @henrikmüller] Was wir dann zusätzlich machen ist, wir machen eine Veranstaltungsreihe die heißt die Wirtschaftsmacher, wo wir Journalisten einerseits einladen von außen, also in der Regel aus Führungspositionen, die dann von den Studierenden in so einer Art Talkshow-Setting sozusagen befragt werden, teilweise auch gegrillt werden. Und wo wir aber auch Leute aus angrenzenden Bereichen dazu bitten. Also wo dann zum Beispiel wir hatten da letztes Jahr den Sprecher von Mckinsey da, der auch früher mal Journalist war. Oder den Sprecher der Bundesbank und so. Jetzt haben wir einen Kommunikationsberater, der früher auch mal Journalist war und der sich jetzt vor allem mit Krisen-PR beschäftigt und so weiter. Die kommen dann auch in dieser Reihe vor. Auch um nochmal so ein bisschen den Blickwinkel zu weiten. Und dann, was ich seit Herbst letzten Jahres oder was ich da zum ersten Mal gemacht habe, ist, einen Kongress zu veranstalten. „On the record“ heißt das. Ist eine Veranstaltung, da haben wir 200 Gäste. [00:54:46.7 @henrikmüller] Headliner sozusagen war Peer Steinbrück. 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft, Ökonomen auch dabei. Chef der Wirtschaftsweisen war dabei und so. Chef der IGBCE. Und wo eben meine Studenten auch teilnehmen und wo die in Zukunft auch noch mehr eine Rolle sozusagen auf der Bühne als Interviewer und so weiter wahrnehmen werden. Und auch da geht es darum, die im Umgang mit den Entscheidern sozusagen auch zu trainieren. Und denen zu zeigen, ihr könnt euch denen nähern, ihr könnt denen standhalten, ihr müsst keine Scheu haben vor denen. Das ist ja das schlimmste finde ich für Journalisten ist, wenn sie in ihrem Büro sitzen und von da aus die Welt beurteilen und auch Entscheider sozusagen beurteilen und über die urteilen, ohne sie überhaupt zu kennen. Also das ist schon mein Anspruch. Sie sollten schon die Leute, über die sie urteilen auch kennen. [00:55:42.2 @henrikmüller] Und sollten den Umgang mit denen pflegen. Und zwar auf einer distanzierten Ebene und auf Augenhöhe wie gesagt, aber sie sollten sich sozusagen auch als wirtschaftspolitischer Journalist nicht unbedingt als Underdog fühlen. Sondern sie sollten sich als Player genau. [00:56:01.5 @timpritlove] Also Player fühlen. In dem Zusammenhang finde ich ja, also hatten Sie ja gerade schon erwähnt, dass auch die Lobbyisten sozusagen da genauso ein Betrachtungsfeld sind. Ich nehme jetzt einfach mal an, das schließt NGOs genauso ein, wie jetzt wirtschaftliche Lobbyisten. [00:56:14.9 @henrikmüller] Absolut. [00:56:17.3 @timpritlove] Man nimmt irgendwie bei diesem Wort immer an, dass es sich sozusagen automatisch um wirtschaftliche Interessen handelt, aber es gibt ja genauso gut auch soziale gesellschaftskulturelle Interessengruppen, die ja genauso Teil des Lobbypools sind, der sich ums Europäische Parlament und natürlich auch die nationalen Parlamente herum schart. Was kann man denn da aus diesen Begegnungen lernen? Weil das ist ja ein sehr vielfältiger Bereich. Wie muss man sich da das Aufeinandertreffen an der Stelle vorstellen? Weil die lassen sich ja sicherlich jetzt auch nicht unbedingt immer so sehr in die Karten schauen. [00:56:49.6 @henrikmüller] Ja erst mal sportlich. Das ist nicht der Beelzebub. Also zumindest habe ich den auch in dem Bereich noch nicht kennengelernt. Sondern das sind Leute, die eben Interessen vertreten und das auch offen mehr oder weniger offen tun. Und das müssen sie auch so verstehen. Jeder vertritt seine Interessen. Das ist ja ganz wichtig. Was ich jetzt erst mal lerne sozusagen als Lehrender, ist, dass das vielen Studenten nicht klar ist, dass sie es mit Leuten zu tun haben, die natürlich taktisch mit ihnen kommunizieren. Und ihnen natürlich nie die Wahrheit erzählen. Sondern sie müssen sich immer Gedanken darüber machen, was ist eigentlich deren Motivation, was sind deren Interessen. Und wenn ich die durchblickt habe, kann ich ja offen mit denen umgehen und auch damit spielen. [00:57:35.3 @henrikmüller] Sie kommen auch nicht dran vorbei im Übrigen als Journalist in der Praxis. Sie haben mit Lobbyisten, mit Kommunikationsleuten, Kommunikationsberatern und so die ganze Zeit zu tun. Wenn Sie sagen, ich will mit denen jetzt gar nicht, ich will mit denen nicht reden und die sind des Teufels sozusagen, dann kommen Sie auch nicht weiter, also Sie müssen damit umgehen. Und man muss auch verstehen glaube ich, als Journalist ist es durchaus natürlich auch legitim für solche Interessengruppen, zu versuchen, ihre Interessen voranzubringen. Sie sollten sich aber nicht unbedingt damit gemein machen. [00:58:11.9 @timpritlove] Das ist ja ein sehr interessantes Spannungsfeld. Also die Einnahmeproblematik, die teilweise existiert, hat ja viele Journalisten auch schon so in die Situation gebracht, sich im Prinzip als PR-Schreiber zu verdingen. Man kennt diese ganzen Newsletter und Hauszeitschriften irgendwelcher Organisationen an der Stelle, wo dann eben auch Journalisten dann eben quasi beauftragt schreiben und dort natürlich in der Regel ganz andere Verdienstmöglichkeiten entwickeln, als das jetzt so im offenen Journalismusfeld ist. Ist das ein Thema, was Sie thematisieren? [00:58:43.7 @henrikmüller] Das ist ein heikles Feld, muss man sagen, das ist ein heikles Feld. Bisher habe ich das nicht thematisiert. Natürlich ist es mir immer am liebsten, wenn jemand sortenrein als Journalist arbeitet. Dass das in dieser Zeit vielleicht nicht immer unbedingt geht ist eine andere Sache und das muss jeder auch aufrichtig für sich selbst beurteilen, inwieweit er abhängig ist, wenn er über bestimmte Sachen berichtet. Also wenn ich Sportjournalist bin und nebenbei für eine Skifirma irgendwelche PR-Texte schreibe, dann sollte ich vielleicht den Skitest für die Skizeitschrift jemand anders überlassen. Also soviel inneren Anstand muss man dann schon von den einzelnen erwarten. Ich glaube ehrlich gesagt, da gibt es keine einfachen Lösungen. [00:59:36.0 @henrikmüller] Beim Managermagazin in der Redaktion war das ganz klar. Also wir haben nie Geld genommen für Vorträge oder für irgendwas, sondern wenn haben wir gesagt, wenn ihr was geben wollt ist gut, aber spendet das direkt, ich will das gar nicht auf meinem Konto haben. Da ist das ganz klar, da haben Sie eine Institut, dieses Blatt, was Sie gut bezahlt und dafür sollten Sie dann Ihre Unabhängigkeit soweit wahren. Und das brauchen Sie auch gerade da, weil in den Agenturen, da sind Sie natürlich in einer Position, wo Sie die ganze Zeit irgendjemandem auf die Füße treten. Und da sollten Sie sich nicht in irgendwelche Abhängigkeitspositionen begeben. Auch das ist ein heheres Prinzip, was auch nicht mehr überall gilt, das muss man auch sagen. Also da ist viel im Fluss und erst mal glaube ich muss man Journalisten, auch gerade junge Journalisten dafür sensibilisieren, dass es da Interessenkonflikte gibt, die sie möglichst umschiffen sollten. [01:00:29.5 @timpritlove] Naja ich meine, das ist ja dann auch schon mal ein Ratschlag, den man mit so auf den Weg geben kann. Auch wenn man jetzt vielleicht nicht immer da direkt so eine Auflösung hat. Weil am Ende, klar wenn das Geld fehlt... dann ist das halt sehr interessant. Sie haben ja auch so ein kleines Buch geschrieben glaube ich, Wirtschaftsirrtümer? [01:00:50.8 @henrikmüller] 300 Seiten hat das, kleines Buch... [01:00:54.6 @timpritlove] Okay. Ich habe es nur von vorne gesehen und jemand sagte... [01:00:58.5 @henrikmüller] Ich schenke Ihnen eins hinterher. [01:01:00.2 @timpritlove] Ja ich meine es war von 50 Denkfehlern, die uns um Kopf und Kragen bringen, die Rede. Ich dachte jetzt, die kriegt man vielleicht auch auf unter 300 Seiten. Aber da scheint es ja dann doch einiges zu erzählen zu geben. Was sind denn das für Irrtümer, den wir alle aufliegen und denen sich vielleicht auch die Journalisten mal annehmen sollten? [01:01:21.7 @henrikmüller] Also das Buch ist geteilt in sieben Teile. Also diese 50 Irrtümer teilen sich auf sieben Bereiche zu. Und das ist so geschrieben, das ist jedenfalls der Anspruch, dass sie jeden einzelnen Irrtum auf wenigen Seiten, also diese einzelnen Kapitel, die haben dann 3-5 Seiten oder so, jeder einzelne Irrtum. Den können Sie mal eben zwischendurch lesen auf einer Busfahrt oder so. Wenn Sie so einen ganzen Teil lesen, dann sollen Sie sozusagen ein relativ umfassendes Bild davon kriegen von der Debatte und auch noch ein paar Ideen, die ich mir so dazu gemacht habe, paar Gedanken, die ich mir dazu gemacht habe mitnehmen. Das fängt an mit dem Thema Wachstum. Also ist eigentlich das Wachstum vorbei? Wir haben ja im Moment doch so ein man kann sagen Fortschrittspessimismus. Und ich lasse sozusagen einmal die Debatte revue passieren, also woher kommt eigentlich dieser Pessimismus, was wird im Moment an Erklärungsansätzen diskutiert. [01:02:27.5 @henrikmüller] Dafür warum wir diese Wachstumsschwäche haben, diese geringe Dynamik in vielen Ländern, ja nicht nur im Übrigen im Westen, sondern auch in China inzwischen und so weiter. Und stemme mich dann mit aller Kraft dagegen und sage, das ist eigentlich falsch, hier dieser Pessimismus ist falsch. Und der Pessimismus selber ist natürlich zum Teil dafür verantwortlich, dass wir diese Schwäche an Dynamik haben. Dann gibt es einen anderen Teil, da geht es um das Thema Arbeit. Da geht es um Fragen wie, geht uns eigentlich die Arbeit aus oder wird nur schlechte Arbeit immer mehr. Also solche Fragen, die ich auch an den Zahlen und an der Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte und an der internationalen Entwicklung spiegele. Dann gibt es natürlich einen Teil zum Thema Euro. Eurokrise, 10 Irrtümer dazu, damit habe ich mich ja viel beschäftigt, da habe ich auch schon diverse Bücher vorher geschrieben. Also es geht bis hin zu gesellschaftlichen Fragen, Verteilungsfragen, Fragen internationaler Sicherheit, die auch immer einen Wirtschaftszusammenhang haben. [01:03:29.6 @henrikmüller] Also es gibt auch einen Teil zum Thema Globalisierung. Also ein breites Spektrum. [01:03:34.9 @timpritlove] Eine bunte Tüte. [01:03:36.7 @henrikmüller] Na bunt ist es nicht, es ist schon Schwarzbrot. Also anders als bei früheren Büchern, die ich geschrieben habe, wo ich mich immer bemüht habe, das möglichst erzählerisch stattfinden zu lassen und leicht zugänglich, ist das hier, ich glaube es ist schon leicht zugänglich, aber es ist schon sehr faktengetrieben und sehr ein Kondensat im Prinzip. Also deshalb, wenn Sie so vier Seiten gelesen haben, dann haben Sie eine ganze Menge hoffentlich gelernt dabei und Sie haben eine ganze Menge Quellen gefunden und viele Fußnoten und so weiter. Aber es ist kein Unterhaltungsbuch. Das was jetzt keinen Käufer abschrecken soll. [01:04:15.0 @timpritlove] Vielleicht so zum Ausklang würde mich nochmal interessieren, ich meine drei Semester das ist jetzt noch nicht so viel, das ist alles noch ein sehr junger Studiengang. Aber ich finde es gerade interessant, nach so einer kurzen Zeit auch schon so ein bisschen zu hinterfragen, wie weit ist man jetzt gekommen und was ist so auch der Forschungsaspekt, der jetzt hier mit dem Studiengang. Weil es geht ja jetzt nicht nur um die Lehre, sondern es geht ja auch um die Forschung. Was möchten Sie denn im Rahmen dieses wirtschaftspolitischen Journalismus Studiengangs so an zukünftiger Forschung entwickeln, wohin möchten Sie gerne in Zukunft schauen? [01:04:54.9 @henrikmüller] Es haben sich eigentlich, also ich hatte dieses ganze Thema Forschung schon so ein bisschen im Blick, als ich an die Universität gekommen bin, hatte aber nicht wirklich eine Ahnung, wie ich das eigentlich machen soll. Also mit welchen empirischen Methoden vor allem, wer sind eigentlich mögliche Kooperationspartner dafür und so weiter. Ich bin ja von Haus aus, sage ich immer, Makroökonom, das heißt mich beschäftigen vor allem eben diese großen wirtschaftlichen Fragen. Also wohin entwickeln sich ganze Volkswirtschaften, ganze Gesellschaften und so weiter. Und ich bin sehr erfreut darüber, dass wir jetzt eine Kooperation laufen haben mit einem Kollegen in der Informatik, der Data-Mining-Experte ist, einen Lehrstuhl für Data-Mining hat und in einem Kollegen in der Statistik, der statistische Methoden erforscht. Vier Doktoranden sind im Moment dabei, zwei von mir, jeweils einer von den beiden anderen. [01:05:49.6 @henrikmüller] Was wir versuchen ist, also vielleicht nochmal ganz kurz, wie das überhaupt entstanden ist. Auch reiner Zufall. Der Kollege Kersting, das ist der Informatiker und ich, sind gemeinsam eingeschworen worden als neue verbeamtete Professoren und saßen gemeinsam bei der Rektorin und die dann uns sozusagen miteinander ins Gespräch brachte und sagte, vielleicht könnt ihr ja mal was zusammen machen. Und wir stellten dann fest, obwohl wir auch so vollkommen verschiedenen Welten eigentlich erst mal kommen, dass wir eigentlich ganz ähnliche Interessen haben. Dass wir nämlich solche Themenkonjunkturen uns zum Beispiel angucken wollen. Dass wir uns angucken wollen, kann man eigentlich zum Beispiel Themenverläufe prognostizieren. In welchem Verhältnis steht eigentlich die Berichterstattung zu den ökonomischen Fakten oder den gesellschaftlichen Fakten, was da drunter liegt. Und daraus ist jetzt eine wirklich produktive Zusammenarbeit geworden. Eben auch dadurch, dass die unsere Doktoranden da jetzt so schöne Fortschritte machen. [01:06:44.8 @henrikmüller] Und das Ziel, was ich dabei verfolge, ist, zum einen einen Beitrag zu leisten auch zur ökonomischen Forschung, in der ja solche gesellschaftlichen Dynamiken, die man aber in Mediensystemen zum Beispiel finden kann, keine Rolle spielen. Also Sie finden in kaum einem ökonomischen Modell irgendwie so was, wie eine gesellschaftliche Stimmung, ein bestimmtes Narrativ sozusagen, dem die Leute nachlaufen und so weiter. Aber gerade die Finanzkrise, wir haben ja vorhin drüber gesprochen, oder der Weg in die Finanzkrise hat ja nochmal gezeigt, wie wichtig das eigentlich ist, solche sozialen Dynamiken eigentlich mit zu betrachten, wenn wir uns wirtschaftliche Entwicklungen angucken. Also ich hoffe, dass wir da einen Beitrag leisten können, indem was wir da empirisch erforschen. Für zum Beispiel so was wie die Theorie der Erwartungsbildung. Das ist so ein Zweig, der insbesondere der Makroökonomik. Und damit auch möglicherweise Prognosen verbessern können. [01:07:37.5 @henrikmüller] Also auch vielleicht ökonomische Prognosen verbessern können. Vielleicht Frühwarnsysteme entwickeln können für die wirtschaftliche Entwicklung. Nämlich da, wo sich vielleicht die Realität von dem dominanten ökonomischen Narrativ entfernt. Und zu sagen, hier Achtung. Wie wir das machen ist im Prinzip mit Big-Data-Analysen. Also das ist schon eine tolle Sache, die wir da jetzt in der Entwicklung haben, wo wir jetzt 100.000 oder jetzt Millionen von Artikeln simultan analysieren und mit Methoden, die durchaus verwandt sind dem, was im Datenjournalismus betrieben wird, große Textarchive jetzt erst mal analysieren. Wir haben den Spiegel zum Beispiel seit 1947 bis 2014 in digitalisierter Form vorliegen. Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Süddeutsche Zeitung, mit anderen sind wir im Moment im Gespräch. [01:08:31.3 @timpritlove] Managermagazin? [01:08:29.4 @henrikmüller] Ja Managermagazin wäre kein Problem. Ist aber als Monatsmagazin schwierig, weil sie so eine geringe Fallzahl haben. Big Data heißt ja immer, Sie brauchen große Datenmengen, um Muster zu erkennen darin, darum geht es. Es geht im Prinzip darum, Muster zu erkennen. Und das interessante daran ist, dass diese Algorithmen in diesen Topic-Modelling-Modellen, wie das heißt, das ist jetzt eigentlich so eine Entwicklung der letzten Jahre erst, auf die wir da zurückgreifen. Aber jetzt erst die Rechenkapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Das wir da unvoreingenommen Inhalte finden. Also wir müssen nicht mit einer bestimmten Frage daran gehen und sagen, finde mal das und das oder finde den und den Zusammenhang und dann findet der den natürlich. Sondern der Algorithmus sucht als erstes Mal unvoreingenommen, welche Muster finde ich eigentlich. Und der findet dann tatsächlich Themen und findet auch Themenkarrieren. [01:09:23.7 @henrikmüller] Und findet Begriffe, also große Begriffswolken, wenn man so will, die diese Themen charakterisieren. Und die auch, wenn Sie die näher angucken, die absolut Sinn machen. Und was ganz toll ist dabei, ist, dass diese Methode basiert erst mal nicht auf linguistischen Verfahren, sondern erst mal nur auf einer reinen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung, die ist sprachunabhängig einsetzbar. Sprachunabhängig einsetzbar, das heißt Sie können auf verschiedene Sprachräume damit, können das auf verschiedene Sprachräume anwenden und können Unterschiede in den Narrativen oder in den Erzählungen, in den wichtigen Themen, in den Themenkarrieren usw. feststellen und analysieren. [01:10:09.9 @timpritlove] Da kann man dann sehen, hier wurde im angloamerikanischen Raum bereits debattiert, zwei Jahre später kam es erst im lateinamerikanischen Raum entsprechend auf, auch Einflussnahme aufeinander. [01:10:23.0 @henrikmüller] Das könnte sein, wir sind im Moment ganz am Anfang. Wir haben jetzt neulich mal erste Tests gemacht und haben einen Vergleich gemacht der Wirtschaftsthemen des Jahres 2014 in El País und der Süddeutschen Zeitung. Und es ist schon interessant, also wie einiges, das waren nicht nur Wirtschaftsthemen, sondern insgesamt alles was die berichtet haben, das ist schon interessant. Dass es bestimmte Entwicklungen gibt, die uns alle betreffen, also gemeinsam, Spanien und Deutschland betreffen, über die wir ganz unterschiedlich debattieren. Also zum Beispiel das Thema Flüchtlinge wird in Spanien ganz anders diskutiert als hier. Das ist auch erst mal nicht verwunderlich, aber es ist einfach interessant zu sehen, dass der Algorithmus das von alleine findet. [01:11:02.8 @henrikmüller] Und dann können Sie tiefer reingehen und sagen, was sind denn da eigentlich die relevanten Themen und was sind bei uns die relevanten Themen und wer sind die relevanten Spieler und die relevanten Fragen usw. Wir haben auch gesehen, dass zum Beispiel dieses ganze Thema Russland-Ukraine Krise ganz ähnlich auch geframed wird, also da gibt es fast keinen Unterschied zwischen der linksliberalen spanischen Zeitung El País und der linksliberalen deutschen Zeitung Süddeutsche. Und das Ziel dabei ist und das ist das, was mich eigentlich antreibt dabei, ist, dass wir Instrumente schaffen wollen, die Europa besser miteinander ins Gespräch bringen. Wir haben ja, wenn man so will, ist das was wir in .. sind die Medien das Missing-Link eigentlich bei der europäischen Integration. Wenn wir darüber reden, dass wir eigentlich mehr Föderalisierung in Europa bräuchten, dann heißt das, wir müssen gemeinsam Institutionen schaffen, die müssen aber demokratisch legitimiert sein, die sind aber nur demokratisch legitimierbar, wenn wir eine gemeinsame Öffentlichkeit haben. [01:12:05.7 @henrikmüller] So und das ist im Prinzip der Punkt, an dem man auch in der ganzen Diskussion über weitere europäische Integration usw. dann nicht weiter kommt. Die gibt es eben nicht, diese gemeinsame europäische Öffentlichkeit, sondern wir erleben im Gegenteil, dass im Zuge der Krise wir zwar vielleicht über die gleichen Themen diskutieren oder über ähnliche Themen, dass wir die aber aus einer sehr national gefärbten, jeweils sehr unterschiedlichen Sichtweise framen, unterschiedlich betrachten. Und es findet kaum so eine Übersetzung statt von einem Land ins andere. Es ist uns kaum bewusst, wie anders, wie die Diskussion in anderen Ländern eigentlich abläuft. Und das betrifft ja nicht nur uns als Normalbürger, sondern das betrifft auch die Profis. Also die Profis in den Medien, aber auch Entscheider oder Kommunikatoren in Institutionen wie der Europäischen Kommission, wie den nationalen Ministerien, wie den Notenbank, wie den NGOs usw. [01:13:08.3 @henrikmüller] Also es gibt ja viele Leute, die eigentlich grenzüberschreitend kommunizieren, die aber letztlich nur so ein kursorisches Wissen darüber haben, was da eigentlich abgeht in den jeweiligen Ländern, was ist eigentlich gerade Thema. Und das ist sozusagen die Vision, für die jetzt gerade so ein ...- die wir gerade entwickeln und für die ich gerade Geldgeber suche. Eine Echtzeitanalyse der europäischen Öffentlichkeiten machen zu können. Davon sind wir im Moment noch ein bisschen weg, sowohl was die Methoden angeht, als auch was die Verfügbarkeit von Daten angeht, aber ich bin guter Dinge, dass wir das in den nächsten 3-4 Jahren hinkriegen. Weil sich auch, das ist ein Vorteil der Digitalisierung, sie haben eben viele aktuelle Medien in digitaler Form vorliegen. Das heißt Sie müssen nicht immer unbedingt ständig in Echtzeit irgendwelche Pressearchive sozusagen abfordern. [01:14:10.2 @henrikmüller] Das ist für mich so ein Projekt, dass wir uns angucken, wie funktionieren eigentlich diese Öffentlichkeiten in Europa und wo gibt es sozusagen Dissonanzen und wo gibt es vielleicht auch Konsonanzen. Und damit erst mal sozusagen so eine Transparenz herzustellen dafür, wie die unterschiedlichen nationalen Diskurse eigentlich laufen. Gerade bei Fragen, die uns gemeinsam betreffen. Das ist ja schon interessant, dass wir jetzt im Jahre 5 der Eurokrise sind und immer noch keine gemeinsamen Lösungen gefunden haben eigentlich, sondern immer noch über Griechenland, immer noch über Austerität??? und dieser gemeinsame Diskurs eigentlich nicht stattfindet, sondern wir jeweils in dein einzelnen Ländern eigene dominante Narrative haben zu diesen Fragen, die kaum kompatibel sind. Und das ist uns noch nicht mal bewusst letztlich. [01:14:57.1 @timpritlove] Gibt es denn – ist Ihnen bekannt, dass es vergleichbare Studiengänge in anderen europäischen Ländern gibt, die sich vielleicht auf eine ähnliche Art und Weise damit auseinandersetzen? [01:15:09.2 @henrikmüller] Also was dieses Instrumentarium angeht, diese Text-Modelling-Geschichten, das ist natürlich was, was sehr en vogue ist und wo sich gerade die Veröffentlichungen dazu explodieren. Was aber selten bislang, und wenn dann nur in sehr rudimentärer Form, für journalistische, also für die Analysen von Medien benutzt wird. Von journalistischen Inhalten. Sondern das wird zum Beispiel auch in der Literaturwissenschaft, in der Politikwissenschaft usw wird auch mit solchen Methoden inzwischen gearbeitet. [01:15:37.7 @timpritlove] Ich meinte jetzt gar nicht so sehr dieses Forschungsprojekt, sondern auch generell der Wirtschaftsjournalismus sozusagen, also wirtschaftspolitische Journalismus, ob es da auch entsprechende Studiengänge – also ich meine hier ist es ja nun relativ neu, vielleicht ist es ja woanders noch gar nicht so neu, weiß ich nicht. Ist Ihnen da irgendwas bekannt? [01:15:57.0 @henrikmüller] Also es gibt Masterstudiengänge insbesondere in Australien, mit denen ich eigentlich bislang keinen Kontakt habe. Die was ähnliches machen. Die machen im Prinzip einen Doppelmaster Wirtschaft/Journalistik, an so Journalistenschulen im Prinzip. An den Journalism Departements an den Universitäten. Das gibt es schon. In Amerika gibt es auch einige solcher Programme, die sind aber sehr nach meinem Eindruck sehr viel praxisbezogener. Also wir sind ja auch praxisbezogen, aber wir haben schon – das ist vielleicht auch sehr deutsch – wir haben natürlich einen starken Theorieanteil daran. Auch gerade eben in der Wirtschaft. Und das haben sie da nicht so. Sondern das ist eher so ein bisschen Businessschool mäßig, wo sie sich so Fälle angucken und so weiter. Also diese systematische Herangehensweise, die wir hier in Deutschland pflegen, die gibt es so glaube ich nirgendwo. Also das ist schon einzigartig bislang jedenfalls. [01:16:54.5 @timpritlove] Trotz alledem wäre es sicherlich auch erstrebenswert, so auf europäischer universitärer Ebene da zu Kooperationen zu kommen mit anderen Universitäten. [01:17:02.8 @henrikmüller] Ganz toll wäre es, wenn wir ein europäisches Masterprogramm entwickeln würden. Also das ist auch so eine Idee, für die ich eigentlich auch Geldgeber suche, was sich auch nicht so ganz leicht anlässt. Aber auch weil es soviel inzwischen stiftungsfinanzierten Journalismus gibt, so dass Stiftungen dafür eigentlich kaum zur Verfügung stehen. [01:17:25.5 @timpritlove] Aber dieses Big-Data Projekt wird von einer Stiftung unterstützt? [01:17:27.2 @henrikmüller] Naja wir sind in Gesprächen mit Stiftungen. Also das ist das Ziel, aber das ist Forschung. Aber wenn Sie so ein Masterprogramm machen würden, da haben wir übrigens Kooperationspartner tatsächlich, die bereitstehen. Es gibt ja in Dortmund ans Institut angegliedert das Institut für internationalen Journalismus und da gibt es wiederum ein etabliertes Netzwerk zu anderen Journalstik- Kommunikationwissenschaftlichen Instituten in Europa. Und es gibt – die stehen bereit - Kollegen in Barcelona und Breslau, mit uns einen englischsprachigen europäischen Masterstudiengang aufzuziehen, der letztlich so einen grenzüberschreitenden Blick lehren soll. Das ist bislnag nicht gelungen, das zu etablieren. Ist aber für mich auch ein längerfristiges Ziel, das bis dahin auch nochmal auszuweiten. Weil ich glaube, dass es das wirklich braucht. Selbst wenn wir bislang kaum grenzüberschreitende Medien haben, hilft es glaube ich, wenn sie bei den nationalen Medien Leute haben, die über ihren nationalen Tellerrand hinweg gucken können. [01:18:29.0 @henrikmüller] Und mal so gelernt haben, auch in einer multinationalen Redaktion zusammen zu arbeiten. Das ist für mich so die Idee dabei, dass sie eine Website schaffen, also so eine kleine Nachrichtenwebsite, mit einer kleinen Redaktion. Für die aber die Studierenden während dieses zweijährigen Studiengangs die ganze Zeit arbeiten. Und gemeinsam als multinationales Team auf englisch arbeiten. [01:18:52.2 @timpritlove] Oder vielleicht auch mehrsprachig. Ich meine es gibt ja jetzt auch interessante journalistische Angebote gerade im politischen Umfeld, wie Euroaktiv würde mir jetzt so einfallen, die ja dann auch in englisch, in deutsch, in französisch ihre Artikel publizieren und damit eben explizit so eine europäische Öffentlichkeit ansprechen. [01:19:09.4 @henrikmüller] Kann man machen, ich glaube da nicht dran. Ich glaube die gemeinsame Sprache der Medien wird englisch sein. Also wenn Sie grenzüberschreitende Medien haben, dann muss die englisch sein und alles. Ich glaube Sie müssen auch in der gleichen Sprache letztlich das dann lesen in verschiedenen Ländern. Dass Sie auch wirklich das identische lesen oder sehen oder hören. Und nicht irgendeine nationale Sprache und in den nationalen Kontext übertragene Version. Dann erreichen Sie letztlich das Ziel nicht sozusagen gemeinsame Narrative sich herausbilden zu lassen. [01:19:42.9 @timpritlove] Na gut, das mag natürlich jetzt für die journalistische Zunft nachvollziehbar sein, aber ob das dann auch der Öffentlichkeit dann in einer fremden Sprache so eingänglich gemacht werden kann, weil das erfordert ja dann sozusagen auch ein entsprechendes Fachbegriffswissen, um das dann überhaupt noch umsetzen zu können, was vielleicht nicht unbedingt so immer vorhanden ist. [01:20:00.3 @henrikmüller] Ja kann sein, aber wir reden hier ja erst mal über Visionen. Und ich glaube, wir sind heute schon viel weiter als das Anfang der 90er Jahre war, als der Maxwell damals den European gemacht hat, als europäische Wochenzeitung. Da gab es eben kaum Leute, oder viel weniger Leute als heute, die so viel englisch sprechen, dass sie mühelos vom Blatt lesen können. Das ist heute ganz anders. Gucken Sie sich die Wanderungswellen an. Gucken Sie sich an, wie viele Leute nach Deutschland kommen im Moment. Also aus anderen europäischen Ländern erst mal, die vergleichsweise mühelos diese kulturellen und Sprachgrenzen überwinden. Und natürlich ist Englisch das Grundwerkzeug dafür, und deswegen bin ich da überhaupt nicht so pessimistisch. Und ich glaube, dass wir durchaus in wenigen Jahren durchaus anständige paneuropäische englischsprachige Medien haben können, die auch eine relativ große Öffentlichkeit erreichen. [01:20:55.1 @timpritlove] Ja, Herr Müller super. Haben wir noch irgendwas einen wichtigen Aspekt ausgelassen? Soweit bin ich erst mal ganz zufrieden mit der Ausbeute. [01:21:03.8 @henrikmüller] Wir haben natürlich ganz viele Aspekte nur so ganz kurz angesprochen, aber wenn Sie zufrieden sind, dann bin ich es auch. [01:21:11.7 @timpritlove] Ja, na ich weiß nicht, vielleicht gibt es ja noch irgendeine Botschaft, die hier mit auf den Weg gegeben werden sollte für andere Leute. Ich meine, das war ja jetzt im Prinzip – wir sind jetzt auch sehr ins Detail gegangen, aber unterm Strich ist es ja vor allem auch ein interessanter Einblick in Quereinsteiger und Aufbau eines komplett neuen Feldes, dass man sich jetzt überhaupt erst mal zurechtfindet, in so einem Wissenschaftssystem Und selber vielleicht auch für sich erst versteht, was ist Forschung für mich? Welche Bedeutung hat es letzten Endes auch für die Lehre? Wie kann ich auch die Studenten da entsprechend integrieren? Ich denke, dass mit diesem Bachelor-Master-Trend, durch diese Bologna-Prozesse soviel sich auf einmal auf so schnelle Lehre und hier hast du Fakten und die Zeit ist gleich vorbei konzentriert hat und dass so dieser Forschungsaspekt und diese Muße irgendwie in die Zukunft zu schauen zumindest noch oder zumindest in meiner Wahrnehmung und anderer Leute Wahrnehmung noch so ein bisschen ins Hintertreffen gerät. Es aber trotzdem eine Relevanz hat. [01:22:12.8 @henrikmüller] Ja und ich muss sagen, dass dieses neue Fach wirtschaftspolitischer Journalismus zu etablieren, und zwar sowohl in der Lehre als auch in der Forschung, ist einfach eine große Freude. Und das schöne daran ist ja auch noch, dass die Journalistik selber ja auch, was ja jetzt sozusagen mein Heimatfach ist, dass die Journalistik selber sich methodisch eben bei anderen Wissenschaften typischerweise bedient, um daraus eben Schlüsse zu ziehen, wie man das journalistische, wie man die journalistische Arbeit verbessern kann. Und damit haben die sozusagen großen freien Raum, in dem Sie sich bewegen können und habe ich diesen Raum, in dem ich neue Projekte, neue Schwerpunkte setzen kann und das ist einfach eine große Freude und macht sehr viel Spaß. Also es ist Freiheit der Wissenschaft, das kann sein, dass die heute ein bisschen eingeschränkter ist, als sie es vor ein paar Jahren war, da die Mittel nicht mehr ganz so üppig da sind, aber es ist schon einfach eine sehr und wirklich großartige Welt, in der man sich da bewegt, mit ganz viel Freiheit. Gucken Sie, wir sind jetzt hier an einem Mittwoch Vormittag, ich habe zwei Stunden Zeit, mich mit Ihnen zu unterhalten. Es hat kein Mal das Telefon geklingelt. Gut es ist ausgeschaltet. [01:23:30.6 @timpritlove] Das geht auch. [01:23:32.2 @henrikmüller] Das geht auch und das ist toll. [01:23:33.6 @timpritlove] Ja super. Ich sage vielen Dank. [01:23:35.0 @henrikmüller] Ich auch, danke schön. [01:23:38.0 @timpritlove] Und ja, vielen Dank auch hier für das Zuhören an alle Hörerinnen und Hörer da draußen. Das war der Forschergeist hier vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Bald geht es wieder weiter mit neuen Folgen, soweit bedanke ich mich erst mal und sage tschüss und bis bald. [01:23:58.9 Outro]